... bevor du aufschlägst

Maxi Milian, ... bevor du aufschlägst
Maxi Milian, ... bevor du aufschlägst

Aufschlag

    Gute Laune zeigt er, der April. Sonst so missmutig, aber in diesem Jahr kann er gar nicht geizig genug sein mit dem Regen. Die Sonne verbrennt bereits die ersten Knospen, als wäre nicht Zeit dazu im Sommer, wenn die Blüten ausgewachsen sind. Den Straßenrand, an der Autobahnausfahrt, säumen schon jetzt im frühen Jahr dürre, fleischlose Wiesenstreifen. Zwei Fahrzeuge stecken ineinander, miteinander verbohrt, nach der Karambolage, die keine halbe Stunde her ist. Ein drittes neigt sein Heck sündlos über die Böschung, beinahe ohne Schaden. Die sommerliche Unbekümmertheit macht Platz der Ratlosigkeit. Die Polizeibeamten lüften ihre Kappen, reiben mit Taschentüchern über die Stirn, greifen in den Nacken, wischen auch dort den Schweiß. Ein rot-weißes Plastikband umzingelt die blecherne Gruppe, abseits NAWs und blau-weiße Polizeiwagen - früher wirkten sie herber im dunklen Grün – Pressefotografen heben Kameras und zielen auf das nicht unwillkommene Desaster. Aktuelle Berichte gepaart mit Fotos heben die Auflage, zumindest die Attraktivität einer Heimatzeitung. Hellgrauweiße Fadenwolken treideln über den trostlosen, gleichsam verschwiegenen Schauplatz. Der Herr im dunklen Anzug und der Polizist stehen hinter ihr, der Frau, die zwischen den beiden grauen Plastiksäcken kauert.

 

San Franciscan Nights

    Liebe macht selig. Tiefe Liebe macht verrückt. Der Boden schwindet unter den Füßen.

Das Konto ist überzogen. Egal. Ticket kaufen. Zu ihm fliegen. Nach 37 Jahren. Ihn sehen. Umarmen. Draußen ist es grau. Regen ohne Wolken. Alles grau. Egal. SMS schreiben. Kostet wieder so viel. Und das Konto .... Egal. Wäsche waschen. Kochen. Einkaufen. Wer braucht gebügelte Blusen, gewaschene Jeans, unvergraute Unterhosen? Stattdessen Zucchero und Blue und Cosi celeste. Der Weg vom Herzen zur Zunge ist kurz. Der Kopf, der ist auch noch da. Nur noch Platz für Erinnerungen.

1969/70. Er singt für Five Guys, spielt Gitarre. Sie liebt es, ihn bei seinen Proben in Charlys Minisaal, den braucht er, wenn es was Größeres zu feiern gibt und es in der Kneipe vorne zu eng wird, zu hören. Eins, zwei, eins, zwei, noch mal die letzte Passage – I see the ba-ad moon arising. Micha tippt einen Schritt zurück, dreht sich zur Seite, Blick zum Gitarristen, andere Seite zum Drummer, wieder nach vorne, salopp die Hände in den Hosentaschen, dann noch einmal am Mikro. Cordjeans, lange, enge Röhren. Die etwas über Knöchel hohen Wildlederboots haben Fransen. Kurzärmeliges T-Shirt mit Raglanschnitt ...